Wie man „Wer viel Weisheit besitzt, besitzt auch viel Zorn” liest
Chie ōkereba ikidōri ōshi
Bedeutung von „Wer viel Weisheit besitzt, besitzt auch viel Zorn”
Dieses Sprichwort bedeutet, dass mit zunehmendem Wissen und Weisheit mehr Ungerechtigkeiten und Widersprüche in der Welt wahrgenommen werden. Dieses Bewusstsein schafft mehr Gelegenheiten, Zorn zu empfinden.
Wenn man unwissend ist, übersieht man viele Dinge. Aber je mehr man lernt, desto mehr beginnt man soziale Ungleichheiten, unvernünftige zwischenmenschliche Beziehungen und Fehler in Systemen zu sehen.
Menschen verwenden diesen Spruch, wenn jemand, der studiert oder Erfahrungen gesammelt hat, unzufriedener mit der Welt wird. Er beschreibt auch Intellektuelle, die sich über gesellschaftliche Probleme empören.
Diese Idee passt gut zu einem anderen Spruch: „Unwissen ist ein Segen.”
In der heutigen Informationsgesellschaft hat jeder Zugang zu enormen Mengen an Wissen. Durch Nachrichten und soziale Medien können wir über Probleme weltweit lernen.
Dieses Bewusstsein bringt jedoch oft Gefühle von Zorn und Hilflosigkeit mit sich. „Wer viel Weisheit besitzt, besitzt auch viel Zorn” erfasst eine universelle menschliche Erfahrung: den mentalen Kampf, der mit intellektuellem Wachstum einhergeht.
Ursprung und Etymologie
Dieses Sprichwort stammt wahrscheinlich aus dem alttestamentlichen Buch Prediger, Kapitel 1, Vers 18. Der ursprüngliche Text besagt etwa „mit viel Weisheit kommt viel Kummer; wenn das Wissen wächst, nimmt der Schmerz zu.”
Als diese Idee nach Japan kam, änderte sich das Wort von „Kummer” oder „Schmerz” zu „Zorn”. Dies ist die am weitesten akzeptierte Theorie über seinen Ursprung.
Der biblische Ausdruck wurde nach der Meiji-Zeit zu einem japanischen Sprichwort, als christliche Kultur nach Japan strömte. Als westliches Denken ins Japanische übersetzt wurde, fand diese tiefe Einsicht bei vielen Menschen Anklang und verbreitete sich als Sprichwort.
Interessant ist, wie „Kummer” und „Schmerz” im Japanischen zu „Zorn” wurden. Diese Änderung geschah während der Übersetzung, vielleicht um spezifischer auszudrücken, was wissende Menschen empfinden.
Die Wahl des Zorns – einer aktiveren Emotion gegenüber Ungerechtigkeit und Widerspruch – offenbart das Wesen dieses Sprichworts. Es geht darum, Unrecht zu bemerken, das man ohne Wissen nicht gesehen hätte.
Menschen haben dieses Paradox schon lange erkannt: Wissen zu erlangen bringt nicht immer Glück. Diese universelle Wahrheit wurde durch Zeit und Kulturen hindurch als japanisches Sprichwort weitergegeben.
Verwendungsbeispiele
- Je mehr ich Jura an der Universität studiere, desto mehr Widersprüche sehe ich in unserem Rechtssystem. Es ist wirklich „Wer viel Weisheit besitzt, besitzt auch viel Zorn.”
 - Je mehr ich über Umweltprobleme lerne, desto wütender werde ich über die Verantwortungslosigkeit von Unternehmen. Das ist genau das, was „Wer viel Weisheit besitzt, besitzt auch viel Zorn” bedeutet.
 
Universelle Weisheit
Menschliches Wachstum beinhaltet eine bestimmte Art von Schmerz. Dieses Sprichwort zeigt uns, dass intellektuelles Wachstum und geistiger Frieden nicht immer zusammengehen. Es spiegelt ein tiefes Verständnis der menschlichen Natur wider.
Als Kinder sahen wir die Welt einfach. Gut und Böse waren klar getrennt. Wir glaubten, die Gesellschaft, die Erwachsene aufgebaut hatten, funktioniere korrekt.
Aber je mehr wir lernen, desto mehr erkennen wir, dass die Realität viel komplexer und voller Widersprüche ist. Studiert man Geschichte, sieht man vergangene Fehler. Studiert man Wirtschaft, sieht man die Struktur der Ungleichheit. Studiert man Wissenschaft, sieht man, wie ernst die Umweltzerstörung ist.
Warum wurde dieses Sprichwort so lange weitergegeben? Weil unsere Vorfahren die Kosten des Wissenserwerbs verstanden.
Sie wussten, dass Lernen nicht immer Glück bringt. Dennoch lernten sie weiter. Sie verstanden, dass ein Leben ohne die Wahrheit zu kennen kein wirkliches Leben ist.
Zorn zu empfinden ist der Beweis dafür, dass man gutes Urteilsvermögen hat. Man empfindet Zorn, weil man die Intelligenz besitzt, Ungerechtigkeit als Ungerechtigkeit zu erkennen.
Dieser Schmerz wird zur treibenden Kraft, die Welt zu verbessern.
Wenn KI das hört
Das menschliche Gehirn kann etwa 120 Bits Information pro Sekunde verarbeiten. Das reicht gerade aus, um zwei Gespräche gleichzeitig zu verstehen.
Aber wenn die Weisheit zunimmt, explodiert die Anzahl der „erkennbaren Probleme” exponentiell gegen diese begrenzte Verarbeitungskapazität.
Zum Beispiel empfindet jemand, der wenig über Umweltprobleme weiß, nichts beim Wegwerfen einer Plastikflasche. Aber mit Wissen werden mehrere Probleme gleichzeitig sichtbar: Meeresplastik, Mikroplastik, schwindende Ölressourcen und Recycling-Grenzen.
Mit anderen Worten, die „Anzahl erkennbarer Probleme pro Weisheitseinheit” multipliziert sich. Mit 10 Weisheitsstücken sieht man 100 Probleme. Mit 20 Weisheitsstücken sieht man 400 Probleme.
In der Informationstheorie ist das Verhältnis zwischen nützlicher Information (Signal) und nicht verarbeitbarer Information (Rauschen) wichtig. Wenn die Weisheit zunimmt, nehmen Probleme als Signale zu, aber die Zeit und Fähigkeit, sie zu lösen, nicht.
Das Ergebnis ist ein Zustand voller Rauschen: „Probleme, die man versteht, aber nicht angehen kann.” Es ist, als würde man 100 Smartphone-Benachrichtigungen erhalten, aber nur auf wenige antworten können.
Dieser Haufen unverarbeiteter Probleme lässt ständig Alarme im Gehirn ertönen. Das ist die wahre Natur des Zorns.
Weisheit erhöht die Sensitivität der Problemerkennungssensoren, aber die Verarbeitungsbandbreite bleibt gleich. Diese Diskrepanz ist die Struktur, die Zorn erzeugt.
Lehren für heute
Dieses Sprichwort lehrt uns, die emotionalen Veränderungen, die mit intellektuellem Wachstum einhergehen, nicht zu fürchten. Je mehr man lernt, desto mehr Probleme sieht man in der Welt.
Manchmal mag man das Gefühl haben, glücklicher gewesen zu sein, als man unwissend war. Aber dieses Gefühl ist der Beweis dafür, dass man wächst.
Was zählt, ist, wie man mit seinem Zorn umgeht. Man muss nicht von ihm verzehrt werden und zynisch werden. Man muss sich nicht von Hilflosigkeit kontrollieren lassen.
Der Zorn spiegelt das Gerechtigkeitsgefühl wider. Er ist die Kehrseite des Wunsches, die Welt zu verbessern.
In der modernen Gesellschaft verursacht Informationsüberflutung bei vielen Menschen Zorn und Angst. Öffnet man soziale Medien, überfluten Probleme aus aller Welt den Bildschirm.
Aber weil man Weisheit erlangt hat, hat man Wahlmöglichkeiten. Anstatt wegzuschauen, kann man im Rahmen der eigenen Möglichkeiten handeln.
Man sollte sich nicht schämen, Zorn zu empfinden. Es ist der Beweis dafür, dass man denkt, fühlt und wächst.
Die Weisheit, diese Emotion in konstruktive Energie zu verwandeln, ist das, was wirklich gebraucht wird.
  
  
  
  

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